Sie veröffentlichen nur ein Drittel der Nebenwirkungen

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In klinischen Studien erkennt man die Nebenwirkungen neuer Medikamente. Doch nur ein Drittel der festgestellten Nebenwirkungen wird auch veröffentlich. Zu diesem Ergebnis kommt das Forscherteam um Yoon Loke.

Yoon Loke Nebenwirkungen
Der Forscher Yoon Loke kritisiert, dass nur ein Drittel der Nebenwirkungen von neuen Medikamenten veröffentlicht wird.

Bei neuen Medikamenten haben Ärzte und Zulassungsbehörden oft nur ein unvollständiges Bild von deren Nutzen, sagt Yoon Loke, der an der Universität von East Anglia in Großbritannien arbeitet. Denn nur rund ein Drittel der in den klinischen Studien auftretenden Nebenwirkungen wird auch publiziert.

„Wir haben seit Langem vermutet, dass dies ein großes Problem ist. Aber wir kannten das Ausmaß nicht“, zitiert der Deutschlandfunk den Forscher. Deshalb hat sich das Team um Yoon Loke unveröffentlichte klinische Studien besorgt. Diese verglichen sie dann mit veröffentlichten Untersuchungen verglichen, in denen derselbe Wirkstoff getestet wurde.

„Dabei kam heraus, dass nur ein Teil der auftretenden Nebenwirkungen tatsächlich veröffentlicht wird. Wir finden das sehr bedenklich, denn um die beste Therapie für einen Patienten auswählen zu können, müssen wir genau wissen, welche Schädigungen auftreten können.“

Nur ein Drittel der Nebenwirkungen wird veröffentlicht

Für ihre Untersuchung haben Yoon Loke und seine Kollegen 28 klinische Studien geprüft, in denen Wirkstoffe oder medizinische Behandlungsmethoden getestet wurden. Sie analysierten die Protokolle dieser Untersuchungen, studierten die Konferenzberichte, sprachen mit Experten und durchforsteten Datenbanken im Internet.

Sie kamen dabei zu dem Ergebnis, dass nur rund ein Drittel der Nebenwirkungen, die bei den Teilnehmern der klinischen Studien aufgetreten waren, tatsächlich publiziert wurde. Unglaubliche 64 Prozent der Nebenwirkungen waren nur aus unveröffentlichtem Material, Konferenzberichten oder aus anderen Quellen ersichtlich.

Yoon Loke fordert Veröffentlichung aller Ergebnisse

Für behandelnde Ärzte und die Zulassungsbehörden ist es viel zu aufwändig, sich diese Informationen über diese 64 Prozent der möglichen Nebenwirkungen zu beschaffen. Daher fordert Yoon Loke, dass „diese Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden, damit Mediziner ein komplettes Bild von der Wirksamkeit einer Behandlung erhalten“.

Das Problem gebe es nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in Kanada. „Darüber sollten sich Regierungen, aber auch behandelnde Mediziner bewusst werden und es sollte alles dafür getan werden, dass Studienergebnisse transparenter und besser zugänglich gemacht werden.“

Karsten Juhl-Jörgensen fordert unabhängige Forschung

Bevor ein Medikament von der zuständigen Behörde zugelassen wird, müssen die Hersteller nachweisen, dass es wirkt und unbedenklich ist. Doch oftmals werden wichtige Informationen in den eingereichten Unterlagen verschwiegen, sagt Karsten Juhl-Jörgensen von Cochrane. Die Organisation analysiert klinischer Studien und setzt sich für die Veröffentlichung aller Daten ein.

„Wir haben ähnliche Untersuchungen gemacht und gesehen, dass manchmal wirklich ernsthafte Nebenwirkungen nicht in die Auswertung von Studienergebnissen einfließen.“

„In einer Studie beispielsweise, es ging um die Wirkung eines Antidepressivums, hatte eine Versuchsperson versucht, sich umzubringen. Dieser Teilnehmer war dann einfach aus der Studie ausgeschlossen worden.“

„Das Problem ist, dass sich klinische Studien auf die Wirkungen einer getesteten Substanz konzentrieren, und nicht auf die Nebenwirkungen. Und das führt dazu, dass Medikamente verschrieben werden, ohne dass Ärzte alle Nachteile kennen.“

Nach Ansicht von Karsten Juhl-Jörgensen ist es problematisch, dass die Pharma-Unternehmen die Sicherheit ihrer eigenen Produkte testen dürfen. In jedem anderen Wirtschaftszweig wäre das undenkbar. „Wenn wir ein Produkt getestet haben wollen, möchten wir eine unabhängige Untersuchung.“

„Es passiert häufiger, dass Medikamente wieder vom Markt genommen werden, weil die Nebenwirkungen zu stark sind. Und ein Grund dafür ist, dass die Regulierungen für klinische Studien viel zu leicht ausgenutzt werden können.“

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