Oldschool Society-Präsident Andreas H. (57) ein Terrorist?

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Der schwäbische Trockenbauer und Malermeister Andreas H. (57) gründete 2014 in Frohburg bei Borna in Sachsen die Oldschool Society und rief zum Kampf gegen Muslime und Asylantenheime auf. Sein Motto: Eine Kugel ist nicht genug (Foto: Facebook/Oldschool Society)
Der schwäbische Trockenbauer und Malermeister Andreas H. (57) gründete 2014 in Frohburg bei Borna in Sachsen die Oldschool Society und rief zum Kampf gegen Salafisten, Moscheen und Asylantenheime auf. Sein Motto: „Eine Kugel reicht nicht“ (Foto: Facebook/Oldschool Society)

Tagsüber war Andreas H. (57) in seinem Mehrfamilienhaus in Augsburg-Bergheim der nette Nachbar, der dort mit seiner Frau und mehreren Katzen lebt. Als fleißiger Schwabe fuhr der selbständige Trockenbauer und Malermeister jeden morgen mit seinem Ford-Kleinlaster oder seinem Mercedes-Benz zu seinen Baustellen: Malern, Renovieren, Sanieren. Doch nach Feierabend und an den Wochenenden präsentierte er sich als bewaffneter Kämpfer.

Im Facebook posierte der Maler mit einem Gewehr und legte sich auch einen Patronengürtel um die Schulter. Nicht als Einzelkämpfer, sondern als Anführer. Als Präsident der Neonazi-Vereinigung Oldschool Society (OSS), die er am 17. November 2014 im sächsischen Frohburg südlich von Leipzig mit neun Gleichgesinnten gegründet hat und die zuletzt auf Facbook 3.000 Sympathisanten verzeichnete, wollte Andreas H. von Augsburg aus „die deutsche Kultur und ihre Werte“ retten. Die OSS ist kein Diskutierklub. Das Wappen der Gruppe zeigt einen Totenkopf, zwei blutige Fleischerbeile und Runen. In einem zweiten Wappen steht die Inschrift: „Eine Kugel reicht nicht“.

„Bildung einer terroristischen Vereinigung“

Das Wappen der Oldschool Society zeigt einen Totenkopf, zwei blutige Fleischerhackmesser und zwei Runen (Foto: Facebook Oldschool Society)
Das Wappen der Oldschool Society zeigt einen Totenkopf, zwei blutige Fleischerhackmesser und zwei Runen (Foto: Facebook Oldschool Society)

„Wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung“ wird der 8. Strafsenat des Münchener Oberlandesgerichts am 27. April 2016 gegen den OSS-Präsidenten eine Gerichtsverhandlung beginnen, wie die Leiterin der Justizpressestelle bei dem Oberlandesgericht München, Richterin Andrea Tietz, vorgestern mitteilte. Neben ihm auf der Anklagebank muss auch der OSS-Vizerpräsident Bauarbeiter Markus W. (40) aus Frohburg bei Borna und dessen Freundin OSS-Mitgründerin Denise Vanessa G. (23) aus Sachsen sowie OSS-Pressesprecher Olaf O. (47) aus dem Bochumer Ortsteil Wattenscheid Platz nehmen.

Die Hauptverhandlung werde unter strengen Sicherheitsvorkehrungen um 10 Uhr im Sitzungssaal B 277 im Strafjustizzentrum (Nymphenburger Straße 16) in München eröffnet werden. Journalisten müssen sich einem Akkreditierungsverfahren unterziehen. Zuschauer und auch die Verteidiger, Zeugen und Gutachter werden wie auf dem Flughafen durchsucht. Ausweise werden kopiert. Die Verhandlungstermine sind zunächst bis 6. Oktober 2016 geplant.

Die vier Terrorverdächtigen wurden bei einer Razzia am 5. Mai 2015 mit Hilfe der Bundespolizei-Eliteeinheit GSG 9 aus Sankt Augustin (Nordrhein-Westfalen) morgens zwischen 3 und 4 Uhr verhaftet. Der Präsident in seiner Wohnung in Augsburg-Bergheim, der Vizepräsident auf einer Baustelle in Mühldorf in Bayern, die Freundin des Vizepräsidenten in Sachsen. Und der Pressesprecher von Oldschool Society Olaf O. in seiner Wohnung im Bochumer Stadtteil Wattenscheid. Seine Wohnung allerdings war so verdreckt und vermüllt, dass die Beamten das Ge­sundheitsamt einschalteten. Der OSS-Pressesprecher, der sich selbst Olli Ruhrpott nennt und unter dem Namen Satansbraten68 twittert, soll unter anderem im Oktober 2014 bei jener Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln mitgemischt haben, die in Chaos und Gewalt endete.

Vize Markus W. stammt ursprünglich aus Düren in Nordrhein-Westfalen. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts soll der Mann bis vor wenigen Jahren zum „festen Personengebilde“ der „Kameradschaft Aachener Land“ gehört haben, einer berüchtigten Neonazi-Truppe, die im August 2012 verboten wurde. Die Kameradschaft soll in Nordrhein-Westfalen wiederholt mit Gewaltdelikten aufgefallen sein.

Die Verhaftung vereitelte einen möglichen ersten Anschlag der Oldschool Society

Anlass der Verhaftung des harten Kerns der Oldschool Society am 5. Mai 2015 sei ein Aufruf zu einem nächtlichen Aktions-Treffen für das darauffolgende Wochende in Sachsen gewesen. Für den 8. Mai 2015 hatten sich mehrere OSS-Mitglieder in einer Kleingartenanlage bei Borna verabredet, um ein „paar Aktionen“ zu machen, etwa was mit „Asylantenheimen“. Dazu sollten die Teilnehmer „schwarze, neutrale Kleidung“ mitbringen. In der Nähe des Treffpunkts befindet sich eine Flüchtlingsunterkunft.

Die Bundesanwaltschaft und die Sonderkommission „Borna“ des Bundeskriminalamts hatten seit Frühjahr 2014 gegen die Gruppierung ermittelt. Laut Anklage plante die Truppe um Anführer H. Anschläge auf Salafisten-Prediger, Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte. So sollen die Extremisten Anfang Mai 2015 im Ausland große Mengen Pyrotechnik gekauft haben, aus denen Sprengsätze hätten gebaut werden können. Um die Wirkung der Böller zu steigern, erwogen die Neonazis laut Anklage, die Bomben mit Nägeln zu spicken oder mit Spiritus zu versetzen.

Ermittler des Bundeskriminalamts haben Diskussionen von Mitgliedern der Oldschool Society abgefangen. Die Gespräche legen nach Informationen des SPIEGEL nahe, dass offenbar Anschläge mit selbst gebauten Nagelbomben geplant wurden.

OSS-Angehörige diskutieren demnach, wie man hochexplosive Knallkörper mithilfe von Nägeln zu tödlichen Sprengsätzen umbauen könne. Die dafür benötigte Pyrotechnik hatten sie sich offenbar in Tschechien beschafft. Deren Sprengkraft, so hieß es in einem der abgehörten Gespräche, sei so groß, dass man damit mühelos ein Auto zerstören könne.

Bei der bundesweiten Razzia gegen die vier Verhafteten und sechs weitere mutmaßliche OSS-Terroristen beschlagnahmten Beamte des Bundeskriminalamtes unter anderem drei Kartons mit hochexplosiven Knallkörpern der Marken „Cobra“ und „Viper“, dazu Baseballschläger, Teleskopschlagstöcke und Gasdruckwaffen. Neben Sachsen waren von den Maßnahmen Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern betroffen. An dem Einsatz waren insgesamt etwa 250 Beamte des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei sowie der Polizeibehörden der betroffenen Bundesländer beteiligt.

Die Mitglieder der „Oldschool Society“ agierten erstaunlich offen auf Facebook, schrieb DER SPIEGEL:

Im September 2014 postete der Chef der Neonazibande, Andreas H., im Internet: „Ich wehre mich jetzt, mit meinen Freunden der OSS. Wer das ist, ihr werdet es sehen.“ Auf Facebook richtete die Oldschool Society eine eigene Seite ein, um sich zu präsentieren. Dort waren bald Gruppenfotos vom ersten Treffen der selbst ernannten Widerstandsbewegung zu sehen, aufgenommen nahe Borna. In einem Pamphlet hieß es:

„Müde Parolen gehören der Vergangenheit an.“

Mit diesem Foto in einer Kleingartenanlage in Frohburg bei Borna in Sachsen stellten sich die zehn Gründungsmitglieder der Oldschool Society am 17. November 2014 auf Facebook der Öffentlichkeit vor (Foto: Facebook/Oldschool Society)
Mit diesem Foto in einer Kleingartenanlage in Frohburg bei Borna in Sachsen stellten sich die zehn Gründungsmitglieder der Oldschool Society am 17. November 2014 auf Facebook der Öffentlichkeit vor (Foto: Facebook/Oldschool Society)

Die Neonazis machten auch keinen Hehl daraus, gegen wen sich ihr Hass richtet: Flüchtlinge, Muslime, Schwarze, die Demokratie. Zu einem Foto des Eingangstors eines Konzentrationslagers („Arbeit macht frei“) schrieb der Chef der Gruppe: Diese Stätten könne man als Asylbewerberunterkunft nutzen, „eine Art bewohntes Museum“. In einem YouTube-Video sind Bilder von Totenköpfen, Sturmgewehren und Blut aneinandergereiht, dazu ertönt Gitarrenrock und grölt eine Stimme: „Wir brauchen jede Frau, wir brauchen jeden Mann, wir kämpfen zusammen fürs Vaterland.“

Über Telegram und WhatsApp tauschten die mitteilungsbedürftigen Extremisten täglich bis zu 1.000 Nachrichten aus. „Dann knallen wir eine Moschee nach der anderen hoch“, schrieben sie sich unter anderem, „und hängen die Schweine an Ort und Stelle auf.“

Staatsanwältin Frauke Köhler, Pressesprecherin der Bundesgeralanwaltschaft in Karlsruhe teilte mit: „Die vier Beschuldigten sind dringend verdächtig, eine terroristische Vereinigung gegründet und sich in ihr als Mitglieder – die Beschuldigten Andrea s H. und Markus W. als Rädelsführer – beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 und Abs. 4 StGB).“

Staatsanwältin Köhler weiter: Sie „sind dringend verdächtig, sich spätestens im November 2014 gemeinsam mit weiteren Beschuldigten zu der rechtsterroristischen Vereinigung ‚Oldschool Society‘ (OSS) zusammengeschlossen zu haben, wobei die Beschuldigten Andreas H. und Markus W. unter den Bezeichnungen ‚Präsident‘ und ‚Vizepräsident‘ die zentralen Führungspositionen übernommen haben sollen. Nach den bisherigen Ermittlungen war es das Ziel der Vereinigung, innerhalb Deutschlands in kleineren Gruppierungen Anschläge auf namhafte Salafisten, Moscheen und Asylbewerberunterkünfte zu begehen. Zu diesem Zweck beschafften den bisherigen Erkenntnissen zufolge die vier Festgenommenen Sprengmittel für etwaige terroristische Anschläge der Gruppe.“

Bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen seien „pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft sowie weitere Beweismittel sichergestellt“ worden.

Der Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen schätzt die ausgehobene rechtsextreme mutmaßliche Terrorzelle Oldschool Society als relativ gefährlich ein. „Nach unseren Ermittlungen bestand große Gefahr, dass die Mitglieder der Gruppe ihre Ziele umsetzen würden. Wir hatten wegen ihrer Gewaltfantasien Sorge, dass sie völlig durchdrehen. Es handelt sich bei ihnen um Personen, die nicht über eine hohe Intelligenz verfügen, sondern eher dumpf sind“, so NRW-Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. „Ihre Planungen waren so weit fortgeschritten, dass man eingreifen musste“, so Freier.

Die Beschuldigten sollen bislang zu den Vorwürfen schweigen. Vielleicht ändert sich das bei der Hauptverhandlung am 27. April 2016 in München.