Wegen Munitionsmangel ist die Bundeswehr kaum einsatzfähig

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Seit dem Ende des Kalten Krieges sind die Munitionsbestände der Bundeswehr massiv geschrumpft. Bei modernen Waffensystemen gibt es oft nur eine symbolische Erstbewaffnung. Der Munitionsmangel kann nur langsam behoben werden.

Munitionsmangel Bundeswehr Patriot
Die Bundeswehr verfügt lediglich über 24 Flugabwehrraketen für die Patriot-Batterien. Davon werden immer zwei geschossen, um eine Rakete abzufangen. (Foto: The U.S. Army. Lizenz: CC BY 2.0)

Im Kalten Krieg hatte die Bundeswehr wegen der steten Bedrohung durch die Sowjetunion ausreichend Waffen und Munition. Zudem gab es die Wehrpflicht. Heute dagegen sucht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Panzer händeringend nach Personal. Und der Munitionsmangel ist besonders drastisch.

Während des Kalten Krieges lagerte Gefechtsmunition für 30 Tage in den Depots der Truppe. Heute sind die Vorräte nach jahrzehntelangen Sparrunden teils auf wenige Tage geschrumpft, sagen Insider. Zur Landes- und Bündnisverteidigung sehen sei die Bundeswehr kaum noch in der Lage.

Bundeswehr verzeichnet Munitionsmangel

„Käme es in einem Szenario wie in Libyen oder Syrien zu einer deutschen Kriegsbeteiligung, hätte die Bundeswehr zum Beispiel die dafür nötige hochpräzise Luft-Boden-Munition je nach Intensität der Kämpfe spätestens nach zwei Wochen verschossen“, zitiert Reuters einen Insider.

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) sagt sogar. „Der frühere Nato-Standard war Gefechtsmunition für 30 Tage. Wir sind jetzt eher bei zwei Tagen.“ Solange Einsätze wie Afghanistan das Bild bestimmten, sei dies als ausreichend betrachtet worden. Da habe es eben keine tagelangen intensiven Gefechte von Großverbänden gegeben.

Doch nach der Annexion der Krim durch Russland und der Veränderung der sicherheitspolitischen Lage in Osteuropa seit 2014 spiele die kollektive Verteidigung in der Nato wieder eine wichtigere Rolle. Und dazu gehöre, dass die Bundeswehr über ausreichend Munition, Treibstoff und Verlege-Fähigkeit verfügen muss, sagt Hans-Peter Bartels.

Informationen über den Munitionsmangel werden vom Bundesverteidigungsministerium als Verschlusssache eingestuft. Doch in einem vertraulichen Bericht des Ministeriums vom März heißt es, bei einer Fortschreibung der bisherigen finanziellen Ausstattung „wäre die Aufgabe Landes- und Bündnisverteidigung mit größeren, schnell verlegbaren Verbänden nicht möglich“.

Und weiter: „Negative Auswirkungen auf Bündniszusagen und Strukturen wären unvermeidlich; Fähigkeitserhalt wäre nur auf niedrigem qualitativen und quantitativen Niveau möglich, mit zeitnah erforderlichen Nachjustierungen von Strukturen und Standorten.“

Bundeswehr Munitionsmangel Eurofighter
Munitionsmangel: Die Bundeswehr hat derzeit 86 AMRAAM-Raketen für etwa 120 Eurofighter. (Bildlizenz: Public Domain)

Wir haben nur eine symbolische Bewaffnung

Manche Munition wurde von Anfang an nicht in größerer Menge beschafft. Als Beispiel nennt der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels die Luft-Luft-Rakete Meteor, die Hauptbewaffnung des Eurofighters.

„Wir werden am Ende 146 Eurofighter haben und dafür 150 Lenkflugkörper Meteor. Im Moment verfügt die Luftwaffe, solange der Meteor noch nicht da ist, ich glaube über 86 weit reichende AMRAAM-Raketen für etwa 120 Eurofighter. Das geht in Richtung symbolische Bewaffnung.“

„Vom Flugkörper für die Korvette, dem RBS 15, sind rund 30 Stück gekauft worden. Wir haben fünf Korvetten: Das heißt, jede Korvette kann einmal voll aufmunitioniert werden und dann nicht wieder.“

Ähnlich düster sieht der Munitionsmangel nach Angaben des Wehrbeauftragten auch bei den modernen Flugabwehrraketen aus.

„Wir haben für die Patriot-Batterien 24 PAC-3-Flugkörper – das sind die, die tatsächlich über die Fähigkeit zur Raketenbekämpfung verfügen. Davon werden immer zwei geschossen, um eine Rakete abzufangen. Das reicht im Fall der Fälle nicht lange.“

Das Fazit des Wehrbeauftragen im Hinblick auf die Munitionsvorräte der Bundeswehr: „Das ist alles besser, als wenn man es nicht hat, aber in vielen Fällen ist es eher eine Anfangsbefähigung.“ Ohne Munition ergäben weder die teuren Waffensysteme noch die Verbände der Bundeswehr einen Sinn, da sie nicht einsatzfähig seien.

„Wir bombardieren in Syrien und im Irak ja nicht mit, und das ist auch ganz richtig so. Aber wenn man das irgendwo doch einmal tun müsste, dann muss man auch dazu in der Lage sein, denn sonst ist schon die Drohung hohl.“

Ursula von der Leyen Bundeswehr Munitionsmangel
Ursula von der Leyen muss noch Wolfgang Schäuble von den Mehrausgaben gegen den Munitionsmangel überzeugen. (Foto: Dirk Vorderstraße. Lizenz: CC BY 2.0)

Ursula von der Leyen will mehr Munition

Insgesamt 130 Milliarden Euro möchte die Bundesverteidigungsministerin bis 2030 ausgeben, um die Ausrüstung der Bundeswehr wieder auf Vordermann zu bringen und hohle Strukturen wie Panzerbataillone ohne Panzer aufzufüllen. Sie plant ein Ende der Sicherheitspolitik nach Kassenlage ein.

Die Bundeswehr soll endlich wieder das Material bekommen, das sie tatsächlich benötigt. Rückenwind in den Haushaltsverhandlungen verleiht der Ministerin dabei vor allem die wiederaufflammende Konfrontation mit Russland, aber auch das Erstarken des Islamischen Staats an der Nato-Südflanke.

„Die sicherheitspolitische Lage wird volatil und fordernd bleiben“, heißt es in dem vertraulichen Bericht des Verteidigungsministeriums. Die Truppe habe erheblichen Nachholbedarf, die Probleme seien bekannt. Und weiter:

„In diesem Zusammenhang muss die Bundeswehr neben den Auslandseinsätzen, die ihre Aufgabenerfüllung in den vergangenen mehr als 20 Jahren geprägt haben, auch wieder die Bündnis- und Landesverteidigung beherrschen. Sie benötigt dazu die notwendige Ausrüstung und entsprechende Vorräte, beispielsweise an Munition.“

Auf knapp fünf eng bedruckten Seiten listet der Bericht die zu beschaffenden Geschosse, Lenkflugkörper, Patronen, Bomben, Torpedos und Minen auf. Doch bei fast allen Munitionstiteln könne die Umsetzung erst im Jahr 2017 starten.

Insgesamt 14 Milliarden Euro des 130-Milliarden-Euro-Pakets sollen nach Aussage aus Sicherheitskreisen in die Aufstockung der Munitionsvorräte fließen. Doch im aktuellen Haushaltsentwurf sind für das kommende Jahr nur 359 Millionen Euro für Munition veranschlagt, nur rund 30 Millionen mehr als im laufenden Jahr.

Rüstungsindustrie arbeitet wie eine Manufaktur

Ursula von der Leyen muss noch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von den Mehrausgaben überzeugen. Zudem benötigen die Vergabeverfahren lange Zeit. Und eine entscheidende Rolle spielt auch die Frage, wie schnell die Industrie produzieren und liefern kann.

Rheinmetall braucht nach eigenen Angaben umso mehr Zeit je größer das Kaliber ist. Dies liege vor allem an der Bestellung von Rohstoffen und Zulieferteilen. Bei 120-Millimeter-Großkalibermunition für den Kampfpanzer Leopard 2 oder Mittelkalibermunition von 20 oder 30 Millimetern für die Schützenpanzer Marder und Puma, brauche man teils deutliche mehr als ein Jahr.

Entscheidend sei aber auch die Menge. „Wir haben die Kapazitäten. Die muss man dann stärker auslasten und eventuell das Personal aufstocken“, zitiert Reuters einen Konzernsprecher. Die relativ geringen Stückzahlen bedeuteten, dass die gesamte Rüstungsindustrie im Prinzip eher wie eine Manufaktur arbeite.

Noch komplexer und langwieriger ist die Produktion von Lenkflugkörpern wie etwa der Panzerabwehr-Rakete Milan. Davon verschenkte die Bundeswehr zuletzt Hunderte Exemplare an die kurdischen Peschmerga für den Kampf gegen den Islamischen Staat. Allerdings leerte die Bundesregierung damit auch die Munitionsdepots der Bundeswehr weiter.

Deutsche Munitionsindustrie lebt vom Export

Wegen der schwindenden Aufträge der Bundeswehr wurde die hiesige Produktion von Geschossen und Patronen über die Jahre immer mehr zum Auslaufmodell. Dass in Deutschland überhaupt noch Munition produziert wird, liegt allein am Export.

Die Firma Junghans aus Rottweil, Weltmarktführer in der Herstellung von Zündern und Zündsystemen, hätte den rüstungstechnischen Schrumpfkurs nach dem Ende des Kalten Krieges beinahe nicht überlebt. Heute macht die Firma bis zu 90 Prozent ihres Geschäfts im Export. Sie gehört den Rüstungsunternehmen Diehl (55 Prozent) und Thales (45 Prozent).

Die Firma Dynitec bei Bonn stellt mit nur einigen Dutzend Mitarbeitern Zündmittel her. In einer Nacht- und Nebelaktion sollte der kleine Mittelständler verkauft werden. Doch Rheinmetall und Diehl verhinderten dies, indem sie die Firma selbst übernahmen, sagt ein Experte. Beide Rüstungskonzerne hätten sonst mehr produzieren können.

Rheinmetall und Diehl litten massiv unter dem restriktiven Kurs, den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seit einigen Jahren bei den Rüstungsexporten fährt. Seine Politik stelle beide Firmen vor erhebliche Probleme, auf dem Weltmarkt zu überleben.

Noch ist Deutschland bei der Munitionsproduktion nicht vom Ausland abhängig. „Wir sind noch in der Lage, alle Komponenten zu produzieren“, sagt der Insider. Doch die Abwanderungstendenzen seien da. Man müsse sich nur das Engagement von Rheinmetall in Südafrika anschauen.

Tatsächlich kaufte der Düsseldorfer Konzern bereits 2008 die Mehrheit an der Munitionssparte des südafrikanischen Rüstungskonzerns Denel. Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich bei Deutschlands größtem Munitionshersteller das Verhältnis von Inlands- zu Auslandsgeschäft umgekehrt. Früher gingen drei Viertel an die Bundeswehr, nun landen drei Viertel im Export.

Die Bundeswehr wird noch warten müssen, bis sie wieder ausreichend Material und Munition hat. Nach 25 Jahren Sparkurs werde es wohl genauso lange dauern, die Lager wieder aufzufüllen, sagt ein Experte. Auch das Verteidigungsministerium selbst sagt in seinem Bericht, „eine umfangreiche Bevorratung wird erst nach 2030 gelingen“.

38 KOMMENTARE

  1. Na Gott sei dank . Aber zur Führungsrolle reicht es doch. Vielleicht stellen wir uns an die Front und schreien mit erhobenen Armen „Huh“,
    wie die Isländer. Der Feind rennt dann bestimmt vor Schreck davon.

  2. Statt endlich eine notwendige Sanierung von Kern auf für die Bundeswehr zu sorgen, angefangen bei den Gewehren und aufgehört bei den Transportfliegern, schickt unsere hörige Frau Ursula von der Leyen die Truppen gegen Osten…..ohne ausreichende Munition…..was soll das?

  3. Ist ja schon lange so, eine Schande für Deutschland. Was unsere Eltern nach dem Krieg aufgebaut haben, vernichten diese dämlichen Nachkommen.Was mich auch am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass wirklich nicht ein Politiker aufsteht und sagt, dass es so nicht weitergehen kann. Was sind das denn alles für schlappe Lappen?

  4. Der drittgrößte Waffenexporteur hat selbst keine Munition. Oh Gott was für eine politische Führung. Stell dir vor es ist Krieg und niemand geht hin.

  5. Die amtierende Ministerin sollte zurücktreten, ein Offizier im Generalsrang sollte die Amtsgeschäfte übernehmen und die Wehrbereitschaft wieder herstellen, des Weiteren sollte sich die Militärjustiz für all diese Vorgänge interessieren.

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